Geschichte der belgischen Küstenfunkstellen Ohne eine bedeutende Seemacht zu sein ist Belgien mehr als einmal in der Geschichte der Seefahrt als Pionier in Erscheinung getreten. Eine Geschichte, die durch Männer wie Mercator und Verwirklichungen wie die Entwicklung des Hafens von Antwerpen gekennzeichnet ist. Zeitlich näher ist uns das Datum, an dem die erste Funkstation erschaffen wurde, die vom Kontinent aus Funkverbindungen mit einem Schiff auf hoher See herstellte. Zeit der Pioniere Am 3. November 1900, gerade einmal 5 Jahre nachdem es Marconi gelungen war, eine Entfernung von circa einhundert Metern zwischen einem Sendeapparat und einem Empfangsgerät zu überwinden, wurde die erste belgische Funkstation in Dienst gestellt. Vor diesem Ereignis standen zahlreiche Experimente und Versuche, zum Beispiel unter anderem die Entdeckung der elektromagnetischen Wellen durch H. R. Hertz im Jahre 1887, der Empfang mittels eines Fritters durch E. Branly im Jahre 1892, die ersten Antennen von Professor Popoff usw. Im März des Jahres 1900, kam Marconi auf Einladung König Léopolds II, der immer großes Interesse für alles, was neu und fortschrittlich war, bewiesen hatte, nach Brüssel, um seine Erfindungen im Palais Royal vorzustellen. Die Versuche fanden in Anwesenheit des Königs, der Prinzessin Clémentine, des Prinzen Albert, des Hofes, der Minister und anderer zahlreicher Würdenträger statt. Der Sender wurde in einem Zimmer in der oberen Etage und der Empfänger in der Mitte des Ballsaales installiert, in einer Entfernung von circa 150 Metern. Verschiedene Nachrichten wurden per Morsezeichen übermittelt, unter anderem das Traditionelle "Es lebe die königliche Familie". Das Ergebnis war überzeugend: Léopold II war sofort interessiert, nicht nur im Hinblick auf eine kommerzielle Nutzung, sondern auch mit Blick auf eine Verwertung als ein neues Kommunikationsmittel in der Armee und in den Kolonien. Im Verlauf des Jahres 1900 wurde mit dem Bau einer Funkstation auf der Brücke des belgischen Postschiffes "Prinzessin Clémentine", das auf der Linie Ostende-Douvres eingesetzt wurde, begonnen. Eine provisorische Küstenfunkstelle wurde in La Panne in der Villa "Les Pavots", die in den Dünen lag, eingerichtet. La Panne wurde als Standort ausgesucht, weil man hoffte von dort aus, das Schiff auf seinem gesamten Weg verfolgen zu können. Die durchschnittliche Reichweite der Funksignale wurde auf ± 50 Kilometer geschätzt. Eine zweidrahtige Antenne wurde an einem 50 Meter hohen Holzmast angebracht. Die Empfangseinrichtung war rudimentär. Die elektromagnetischen Wellen, die von der Antenne aufgefangen wurden, lieferten die notwendige Energie über eine Fritterröhre. Über eine Trockenbatterie und ein Relais setzte diese Energie einen Reliefschreiber in Betrieb, der mit Papier arbeitete, und die Nachrichten in Punkten und Strichen festhielt. Im Gegensatz zur allgemeinen Annahme, gab es keine vokale Übermittlung. Das kam erst nach einigen Jahren mit dem magnetischen Detektor und nach der Entwicklung der Detektor- und Röhrenempfänger. Der Fritter war an sich eine Kuriosität: eine kleine Glasröhre mit zwei Elektroden, die einige wenige metallische Feilspäne beinhaltete. Eine der Elektroden war mit der Antenne über einen Transformator (Tesla) verbunden, die andere Elektrode war über den Rest der Anlage geerdet. Unter dem Einfluß der elektromagnetischen Wellen, die von der Antenne aufgefangen wurden, wurden die Metallspäne leitend. Nach dem Durchfluß des Stromes wurde die Bindung der Feilspäne mittels einer Art kleinen Schlägers unterbrochen. Für die Aussendung bediente man sich einer großen Rumkorff-Spule. Sowohl von seinem Aussehen als auch von seinem Umfang her erinnerte einen dieser Taster an einen Zapfhahn einer alten Biertheke. Er wog ungefähr 1 Kilogramm! Man sendete mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 10 Wörtern pro Minute. Manchmal konnte die Übertragung auf 20 Wörter pro Minute angehoben werden. Die Villa "Les Pavots" wurde über eine spezielle oberirdische Telegraphenleitung mit dem Telegraphenamt Oostende-Kaai verbunden, so daß die Telegramme sofort weitergeleitet werden konnten. Die nächtlichen Fahrten der "Prinzessin Clémentine" während dieser Phase vereinfachten die Experimente nicht. Dennoch gelang es den Funkern, während der gesamten Fahrt den Kontakt aufrecht zu erhalten. Die Funkstation des Postschiffes zeigte auf unerwartete Weise die Bedeutung der "drahtlosen Telegraphie". Im Januar 1901 lief die "Medora" bei einer Untiefe namens "Ratel" auf Grund. Der Besatzung gelang es, die Aufmerksamkeit der "Prinzessin Clémentine" auf sich zu ziehen, von der man sofort über Funk Hilfe anforderte und die "Medora" von der Ankunft der Hilfe in Kenntnis setzte. Kurz danach fiel die Beleuchtung des Feuerschiffs "Ruytingen" aus. Auch dieses Schiff erhielt nach dem Eingreifen des Postschiffes und der Küstenfunkstelle in La Panne Hilfe von der "Dunkerque". Schließlich als die "Prinzessin Clémentine" selber in dichtem Nebel vor der belgischen Küste auf Grund lief, war es möglich, ihr beinahe sofort zu Hilfe zu kommen. Bei der nächsten Flut war das Schiff wieder flott. Angesichts des Erfolgs des Unternehmens entschloß man sich einige Monate später, alle Postschiffe mit Funk auszurüsten. So war Belgien eines der ersten Länder, das eine regelmäßig verkehrende Postdampferlinie betrieb, die mit Funkgeräten ausgerüstet war. Nicht einmal ein Jahr später wurden Pläne entworfen für eine neue, besser ausgestattete Küstenfunkstelle in Nieupoort-Bad. Diese wurde vorerst in einem komfortablen Eisenbahnwagon untergebracht und 1902 in Betrieb genommen. In der Folgezeit wurde ein neues Gebäude neben der Lotsenstation errichtet.
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